Teil1
Für alle, die es nicht mitgekriegt haben: Ich habe mich am 22. Oktober auf den Weg in die USA gemacht, um ein bisschen Stimmung vor der Präsidentschaftswahl 2012 mitzukriegen. Geplant ist ein Flug nach Charlotte in North Carolina, um von dort aus eine einwöchige Rundtour durch einige der Südstaaten zu machen. South Carolina, Georgia, den Nordostzipfel von Florida, dann durch Georgia nach Alabame. Weiter nach Tennessie und Kentucky und durch West Virginia und Virginia zurück nach Charlotte.
Nach meinen sonstigen 11-Stunden-Flügen in den Westen bzw. mit dem Umsteigen noch viel mehr, erschien mir dieser Flug (eben unter 9 Stunden) richtig kurz und verging wie im Fluge. Dass US Airways keine freien alkoholischen Getränke wie die Lufthansa ausschenkt, und ich ja tendenziell geizig bin und keine $ 7 für ein Bier ausgebe, war auch deshalb ganz gut, weil ich nach dem Flug ja noch drei Stunden Autofahren wollte.
Als erstes kämpfte ich dann erstmal am Flughafen Charlotte damit, meine US-Simkarte fürs Telefon anzumelden, was mir dann irgendwann mal gelang. Schon gut, dass es hier wie an vielen US Flughäfen freies WLAN gibt.In den meisten Mo- und Hotels imübrigen auch. Dann ab zu meinem Toyota Corolla. Die Alamo-Frau, die mich auscheckte, wunderte sich über meinen Namen, ja, sie hat ihn verstanden mit dem “viel” und dem “hauer”, konnte etwas deutsch, kam aber aus Kalifornien.
Das erste Stück nach South Carolina (fängt gleich südlich von Charlotte, das in North Carolina liegt, an) bin ich auf der Interstate gefahren, um am South Carolina Welcome Center eine Roadmap zu holen. Die brauch ich trotz Navi - ich muss auf der Karte sehen, wo ich hinfahren will. Solche Welcome Center gibt es an jeder Staatsgrenze, zumindest an den Interstates. Kurz danach bin ich dann auf die Landstraße und durchs Hinterland gefahren. Alles so richtig Südstaaten-Klischee: herschaftliche alleinstehende Häuser mit diesen typischen Säulenvorbauten und umgeben von Baumwollfeldern. Aber auch herrlich herbstlich farbenbunte Wälder. Nicht ganz Indian Summer, aber ziemlich nahe dran. Auffallend die große Anzahl von Mobile Homes, die z.T. auch mit Säulenvorbauten im Einfachformat versehen waren. Mobile Homes sind diese Holzfertighäuser, die per Tieflader schon mal durch Amerika geschippert werden, dienen wegen ihres geringen Preises aber häufig als vollwertiges Eigenheim. Da wohnen dann wohl die Baumwollpflücker. So die neuen Onkel Tom’s Hütten. Ist natürlich auch nur Vorurteilsklischee, weil die Baumwollernte mit riesigen Maschinen nahezu vollautomatisch abläuft.
Noch auffallender allerdings die unendliche Zahl von Kirchen. So gefühlt je 10 Wohnhäuser eine Kirche.
Ja, und dann noch auffallend: Wahlschildchen vor den Häusern gab’s nur für die örtliche Sheriff-Wahl (Herr Smith hatte in dem einen County unendlich viele Fans und wohl keinen Gegenkandidaten) oder irgendeinen Judge oder, wenn’s wirklich mal national wurde, für einen Senator. Schilder für Obama oder Romney hab ich auf dieser Fahrt keine gesehen. Das erste Obama-Plakat erst später dann in Florida und einen Autoaufkleber. Romney tauchte noch nicht auf. Stattdessen fuhr vorhin vor mir ein Auto mit McCain/Palin-Aufkleber der letzten Wahl. Irgendwie scheint die mediale Aufgeregtheit im Hinterland nicht so angekommen zu sein. So war meine Suche nach einer Location zum Anschauen der letzten TV-Debatte zwischen Obama und Romney nicht von Erfolg gekrönt. Eher fragende Blicke als Auskünfte gab es. Schien keinen zu interessieren: Ach ja, richtig, die ist ja heute. In dem Restaurant, wo ich dann gegessen habe lief zwar der unvermeidliche Fernseher, aber mitnichten das TV-Duell sondern ein viel spannenderes Baseballmatch. Recht hatten sie eigentlich, diese Polit-Ignoranten: Ich bin dann später vor Langeweile bei dieser TV-Übertragung eingeschlafen.
Nach einem All-You-Can-Eat-Frühstück für $ 4,99, an dem ich mich dann natürlich überfressen habe mit all dem Ami-Breakfast Schnickschnack, bin ich dann erstmal nach Charleston gefahren. Und dort am Meer, wo ich mich zum Bierchentrinken an einen Tresen setzte, gab’s dann mit meinem Nachbarn Greg, Mitte fünfzig das erste ansatzweise Politigespräch. Ergebnis: er könne diesmal überhaupt nicht sagen, wen er wählen solle. Das sei ihm noch nie so gegangen. Er scheint wohl beim letzten Mal Obama gewählt zu haben, hat es aber nicht offen gesagt. Er selbst war aus South Carolina, lebt ca. 120 Meilen von Charleston entfernt und war nun das allererste Mal hier. Und für sein Bier hat er kurz mal von seiner Frau frei gekriegt, die mit irgendeiner Schulklasse unterwegs war. Das waren eigentlich für ihn die wichtigeren Dinge, die es zu erzählen gab.
Und nun bin ich hier im Beachside Motel in der nordöstlichsten Ecke von Florida, direkt am Meer in Fernandina Beach. Es ist warm aber windig. Im gegenüberliegenden Restaurant verzichtete ich dann aber an der Bar auf Politfragen, nachdem ich schon vorher bei belauschten Gesprächen eine deutlich Ablehnung von politics gehört habe. Und in den zahllosen Fernseher liefen zahllose Sportprogramme.
Manchmal scheint mir, dieser Wahlkampf ist ein rein medialer, und die Leute lesen dann erst am nächsten Tage in den Schlagzeilen, was sie zu denken haben. Wie diese Blitzumfragen bei wem eigentlich zustande kommen, ist mir schleierhaft. Ich glaube, das läuft nur in den größeren Städten. Aber die richtige Erfahrungs- und Datenbasis habe ich ja sicherlich noch nicht.
Neu für mich war ja diesmal, dass ich hier in den Staaten ankam, ohne direkt ein Ziel zu haben. Sonst bin ich erstmal zu Freunden gefahren ,in Kalifornien oder in New Mexico. War dann schon etwas komisch, so ganz allein einfach mal los. Hat aber auch was. So, nun muss ich mir mal Gedanken machen, wohin es denn morgen gehen wird. Irgendwo nach Georgia (always on my mind).