Montag, 29. Oktober 2012

Benntniswahl


Teil 4

Meine Fahrt durch West Virginia war ja wirklich interessant: zwar grau und z.T. Regen, aber es ging sehr kurvig quer durch die Appalachen. Und dort an diversen Kohlebergwerken vorbei und durch Orte, deren Armut durch die geschlossenen Wagenfenster kam. Soviele Mobilehome-Siedlungen hab ich ja noch nie gesehen.

virginia

In Wallys Restaurant hab ich dann angehalten, um dort Turkeyzerkochtes mit grünen Bohnen und mashed potatoes und einem undefinierbaren Musbällchen zu essen. Die Gespräche mit den anderen Gästen liefen schleppend, weil ich mal wieder Schwierigkeiten mit Dialekt hatte. Meine Erklärung, ich sei aus Germany, wurde mit freundlichem Desinteresse beantwortet. Vielleicht dachten die, ich hätte von einem Ort an der Küste erzählt (East-Germantown am Atlanntik wurde gerade ja von Sandy etwas in Mitleidenschaft gezogen). Germany als europäisches Land ist wahrscheinlich genauso exotisch wie Washington. Als ich als Grund meiner Reise erzählte, ich wollte mal sehen, wie es mit der Wahl hier ist, wurde das mit einer kurzen Kopfbewegung abgetan, interessiert nicht weiter.
Die Tour durch die Berge dauerte recht lange und ich war dann abends im Hotel schlags kaputt. Irgendwie bin ich ganz froh, jetzt etwas mehr Relaxen zu können. Die 1800 Meilen waren schon ein ganz schöner Gewaltakt, haben aber wahnsinnig Spaß gemacht. An politischer Erkenntnis hab ich aber so viel nicht gewonnen. Eine US Wahl ist halt mehr eine Bekenntniswahl als eine politische Entscheidung. People not politics, Schilder mit den diversen Namen, wo eine Parteizugehörigkeit nie angegeben wird oder gar eine inhaltliche Aussage zeigen, dass es hier wirklich nur um das jeweilige persönliche Image geht. Von daher sind diese Personality-Auftritte im TV, auch und besonders der Frauen mit den Geschichten aus dem Leben und dem Wohnzimmer so entscheidend. Und das muss man sagen, der Romney kommt mittlerweile auf dieser Lächeln-Sympathie-Ebene besser rüber, als der leicht lamoryant wirkende Obama. Wenn der Michelle nicht hätte, wär es jetzt schon klar verloren. Im Moment (also heute Morgen) sind die Umfragen ja so, dass Romney nationwide leicht vorne liegt, Obama aber auf der Einzelstaatenebene, die ja letztlich entscheidet. Aber alles wirklich knapp.

Samstag, 27. Oktober 2012

Patriotischer Hydrant


Teil 3
Nu isses auch hier kälter geworden. Heute hatte es in Tennessee und Kentucky nur so um die 12 Grad und geregnet hats zwischendurch auch. War aber nicht so schlimm nach all der vorangegangenen Wärme. Kentucky hat mir gut gefallen, ist ähnlich wie Tennessee nicht so üppig südstaatlich, in den Bergen sogar recht ärmlich. Aber die kleinen Städte haben Charme. Und politischer scheinen sie auch: zwar tauchen in den Bergen kaum Wahlschildchen auf, dafür umso mehr im restlichen (also dem von mir durchfahrenen) Land. In Danville, KY, waren die Wahlkampf Headquarters der Republikaner und Demokraten grade zwei Blocks voneinander an der Hauptstraße, aber beiden waren -leider - in treuer Eintracht geschlossen, wo ich doch fest entschlossen reinmarschieren wollte. Danville ist der Ort, wo am College die nationale election debate zwischen Vizepräsident Biden und Vize-Kandidat Ryan stattgefunden hat. Der ganze Ort scheint deshalb immer noch in Aufregung zu sein. Überall in den Schaufenstern Bilder, Hinweise, nationale Goodies bis hin zu in den Nationalfarben angemalte Feuerlösch-Hydranten.
patriotischer-hydrant
Mein Besuch in Frankfort, der Hauptstadt Kentuckys, war dann leider enttäuschend. Die Stadt scheint am Wochenende schlafen zu gehen. Ein riesiges Konressgebäude und Capitol, aber kein einziger Mensch weit und breit. In der Innenstadt war dann meine Suche nach irgendeinem Andenken mit Frankfort drauf (Frankfort hast übrigends nix mit unserem Frankfurt zu tun) auch nicht von Erfolg gekrönt. Zwar ertönte aus einer abgesperrten Straße Musik, dort gab es aber nur irgendeinen Sozialflohmarkt mit Liveband. Da dort gerade ein Briefträger längs lief, dachte ich, der weiß nun sicher über alle Läden in seinem Bezirk Bescheid. Meine Frage also nach einem Souvenirgeschäft wandelte sein Gesicht zu einem großen Fragezeichen, als hätte er diesen Begriff noch nie gehört, dann erzählte er mir was, das ich nur mühsam entziffern konnte - war schon ein eigenwilliger Dialekt. Aber genützt hat alles nix, nicht mal Postkarten als letzten Ausweg gibt’s in der Hauptstadt des Whiskeylandes.
So wie ich den Briefträger wohl mit dem Fremdwort Souvenir überfordert habe, ging es mir zuvor schon in einem Geschäft in Alabama: Dort sollte ich $ 5,56 zahlen. Ich gab - typisch deutsch - $ 6 in Scheinen und 6 cent, dachte halt, es sein einfacher für die gute Frau, mir dann zwei Quarters rauszugeben. Weit gefehlt. Die guckte mich an wie von ner anderen Welt, wusste überhaupt nicht, wozu die 6 cent dienen sollten, nahm dann einen und gab mir dann letztlich doch auf 5,56 raus. Das hat ihre Kasse angezeigt, alles andere war außerhalb ihrer Reichweite. Ist aber wohl selbst bei einfacheren Rechenaufgaben ein Problem. Heute hab ich glatt wieder für einen Betrag von $ 6,01 einen Zehner und eine ein Cent Münze gegeben. Der fragende Blick des Kassierers ließ mich am amerikanischen Bildungssystem zweifeln. Kreditkarte ist unterm Strich einfacher.
Nun bin ich in Cincinnati gelandet, im alles entscheidenden Swing-State Ohio. Hab mir extra ein Hotel Downtown gesucht, um großstädtisches Leben zu erhaschen, aber auch hier scheint am Wochenende dicht gemacht zu werden. Hat allerdings den Vorteil, das es in meinem Zimmer, obwohl es zur sechsspurigen Straße rausgeht, ziemlich ruhig ist.
Also lass ich jetzt den Fernseher laufen, auf dem Kanal C-Span werden Dauer-Wahlsendungen gezeigt. So war gerade die Übertragung einer Rede von Ann Romney in St. Augustin, Florida. Hinter ihr die Strahlefrauen mit Superzähnen und wackelnden Schildern “Women for Mitt” und Grinse-Ann erzählte von ihrem liebevollen Ehemann und Vater, und wie er schnurstracks in Illinois (ich glaub da war das) zum 14 jährigen Sohn eines Feurwehrmannes geeilt war, der unheilbar an Krebs erkrankt war und dicht vorm Sterben. Und Mitt ist doch tatsächlich persönlich zu ihm hin und hat ihn getröstet, dass danach (also wohl nach dem Tod) das nicht vorbei sei, weil es sowas wie Wiedergeburt oder so ähnlich gibt. Da johlten die Frauen ob soviel (gut)gläubiger Menschelei. Und überhaupt ist es in den letzten vier Jahren vor allem den Frauen an den Kragen gegangen, sie haben am meisten unter Arbeitslosigkeit gelitten und den Alleinerziehenden geht es schlechter als jemals zuvor - hat sie einfach mal so mit Strahlelächeln (tatsächlich) erzählt, um dann voller Begeisterung auszurufen: “Aber Hilfe naht” dank Mitt for women. Ja und Barbara Bush, die ja schon als Ehefrau und als Mutter Präsidentschaftswahlkampfe durchgestanden hat, selbst sie hält nun diesen für die “most important election in my lifetime”. Das nun wertete Ann Romney als die endgültige Krönung ihres Göttergatten. Und der hat ja eigentlich immer Erfolg:als Ehemann, als Vater, als Geschäftsmann, als Olympia-Organisationschef damals in Salt Lake City, was heißt “he cannot fail” und das heißt folgerichtig, der kann dann natürlich auch nicht als Präsident versagen bei soviel Erfolgs-Qualifikation. Ich glaub ich hab in meinem Leben noch keine schlichtere Wahlkampfrede gehört.
Dann gabs noch Debatten zwischen Kandidaten fürs Repräsentantenhaus, aus denen ich glatt nochmal für zwei Seiten Schwachsinn der Republikaner zitieren könnte. Aber nur ein Beispiel: Die Regierung verbietet der 17 jährigen Farmerstochter den Traktor zu fahren. Welch unerhörte Einmischung in das Elternrecht, who most will take care of their daughter and not the government.

Mittwoch, 24. Oktober 2012

Georgia on my mind


Teil 2

Nun übernachte ich am Lake Eufala, ein Gewässer, das die Grenze zwischen Georgia und Alabama bildet. Die Eindrücke von der Fahrt durch Georgia waren ähnlich wie schon zuvor: politisch werden unendlich viele Sheriffs, Judges, und andere ehrenwerte Personen gewählt (ein Wahlslogan drückt es sehr gut aus: “People not politics”). Diese Präsidentenwahl scheint nur in den Zeitungen und im Fernsehen, nicht aber im Straßenbild stattzufinden. Meine Suche nach einem Ort, wo ich Leuten begegnen kann, war mal wieder nicht erfolgreich. Ich glaube, meine Idee, durchs Hinterland zu fahren, war grundlegend falsch. In all diesen kleinen Städtchen, auch den malerischen alten Südstaatenstädtchen mit schöner City Hall, Backstein-Feuerwehrhaus und der natürlich unvermeidlichen Kirche, wenn nicht gar gleich mehrere, hab ich bisher nicht sowas wie ne Kneipe gefunden. An den Stadträndern die üblichen Insignien US-amerikanischer Fast-Kultur. Vielleicht muss ich doch meine Pläne ändern und in die größeren Städte fahren, wo es Pubs mit Theken gibt, an der dann geredet wird.
Auf der anderen Seite gefallen mir die Stopps in diesen kleine Städtchen mehr als die Vorstellung durch die großen Städte zu irren. Charleston war zwar sehr schön, aber irgendwie turnen mich die anderen Städte nicht so an. Mal sehen. Vielleicht werde ich meine Eindrücke, was denn die Leute so im Koppe haben, mal wieder an der Theke in Albuquerque sammeln. Dort sind die Meinungen bunt gemischt, und man kriegt von allem was.
Ich hatte gar nicht im Kopf, dass in den Staaten wie South Carolina und Georgia immer noch sehr viel Baumwolle angebaut wird. Riesige Felder mit diesen weißen Büscheln dran. Dazu dann riesige Maschinen, mit denen die Wolle geerntet wird. Also doch nix mit den armen Pflückern, Menschen waren auf den Feldern nie zu sehen.
baumwolle2

Dienstag, 23. Oktober 2012

Wahlzeit


Ein Reisebericht aus einem fernen und manchmal fremden Land

Teil1
Für alle, die es nicht mitgekriegt haben: Ich habe mich am 22. Oktober auf den Weg in die USA gemacht, um ein bisschen Stimmung vor der Präsidentschaftswahl 2012 mitzukriegen. Geplant ist ein Flug nach Charlotte in North Carolina, um von dort aus eine einwöchige Rundtour durch einige der Südstaaten zu machen. South Carolina, Georgia, den Nordostzipfel von Florida, dann durch Georgia nach Alabame. Weiter nach Tennessie und Kentucky und durch West Virginia und Virginia zurück nach Charlotte.
Nach meinen sonstigen 11-Stunden-Flügen in den Westen bzw. mit dem Umsteigen noch viel mehr, erschien mir dieser Flug (eben unter 9 Stunden) richtig kurz und verging wie im Fluge. Dass US Airways keine freien alkoholischen Getränke wie die Lufthansa ausschenkt, und ich ja tendenziell geizig bin und keine $ 7 für ein Bier ausgebe, war auch deshalb ganz gut, weil ich nach dem Flug ja noch drei Stunden Autofahren wollte.
Als erstes kämpfte ich dann erstmal am Flughafen Charlotte damit, meine US-Simkarte fürs Telefon anzumelden, was mir dann irgendwann mal gelang. Schon gut, dass es hier wie an vielen US Flughäfen freies WLAN gibt.In den meisten Mo- und Hotels imübrigen auch. Dann ab zu meinem Toyota Corolla. Die Alamo-Frau, die mich auscheckte, wunderte sich über meinen Namen, ja, sie hat ihn verstanden mit dem “viel” und dem “hauer”, konnte etwas deutsch, kam aber aus Kalifornien.
Das erste Stück nach South Carolina (fängt gleich südlich von Charlotte, das in North Carolina liegt, an) bin ich auf der Interstate gefahren, um am South Carolina Welcome Center eine Roadmap zu holen. Die brauch ich trotz Navi - ich muss auf der Karte sehen, wo ich hinfahren will. Solche Welcome Center gibt es an jeder Staatsgrenze, zumindest an den Interstates. Kurz danach bin ich dann auf die Landstraße und durchs Hinterland gefahren. Alles so richtig Südstaaten-Klischee: herschaftliche alleinstehende Häuser mit diesen typischen Säulenvorbauten und umgeben von Baumwollfeldern. Aber auch herrlich herbstlich farbenbunte Wälder. Nicht ganz Indian Summer, aber ziemlich nahe dran. Auffallend die große Anzahl von Mobile Homes, die z.T. auch mit Säulenvorbauten im Einfachformat versehen waren. Mobile Homes sind diese Holzfertighäuser, die per Tieflader schon mal durch Amerika geschippert werden, dienen wegen ihres geringen Preises aber häufig als vollwertiges Eigenheim. Da wohnen dann wohl die Baumwollpflücker. So die neuen Onkel Tom’s Hütten. Ist natürlich auch nur Vorurteilsklischee, weil die Baumwollernte mit riesigen Maschinen nahezu vollautomatisch abläuft.
haus41
Noch auffallender allerdings die unendliche Zahl von Kirchen. So gefühlt je 10 Wohnhäuser eine Kirche.
Ja, und dann noch auffallend: Wahlschildchen vor den Häusern gab’s nur für die örtliche Sheriff-Wahl (Herr Smith hatte in dem einen County unendlich viele Fans und wohl keinen Gegenkandidaten) oder irgendeinen Judge oder, wenn’s wirklich mal national wurde, für einen Senator. Schilder für Obama oder Romney hab ich auf dieser Fahrt keine gesehen. Das erste Obama-Plakat erst später dann in Florida und einen Autoaufkleber. Romney tauchte noch nicht auf. Stattdessen fuhr vorhin vor mir ein Auto mit McCain/Palin-Aufkleber der letzten Wahl. Irgendwie scheint die mediale Aufgeregtheit im Hinterland nicht so angekommen zu sein. So war meine Suche nach einer Location zum Anschauen der letzten TV-Debatte zwischen Obama und Romney nicht von Erfolg gekrönt. Eher fragende Blicke als Auskünfte gab es. Schien keinen zu interessieren: Ach ja, richtig, die ist ja heute. In dem Restaurant, wo ich dann gegessen habe lief zwar der unvermeidliche Fernseher, aber mitnichten das TV-Duell sondern ein viel spannenderes Baseballmatch. Recht hatten sie eigentlich, diese Polit-Ignoranten: Ich bin dann später vor Langeweile bei dieser TV-Übertragung eingeschlafen.
Nach einem All-You-Can-Eat-Frühstück für $ 4,99, an dem ich mich dann natürlich überfressen habe mit all dem Ami-Breakfast Schnickschnack, bin ich dann erstmal nach Charleston gefahren. Und dort am Meer, wo ich mich zum Bierchentrinken an einen Tresen setzte, gab’s dann mit meinem Nachbarn Greg, Mitte fünfzig das erste ansatzweise Politigespräch. Ergebnis: er könne diesmal überhaupt nicht sagen, wen er wählen solle. Das sei ihm noch nie so gegangen. Er scheint wohl beim letzten Mal Obama gewählt zu haben, hat es aber nicht offen gesagt. Er selbst war aus South Carolina, lebt ca. 120 Meilen von Charleston entfernt und war nun das allererste Mal hier. Und für sein Bier hat er kurz mal von seiner Frau frei gekriegt, die mit irgendeiner Schulklasse unterwegs war. Das waren eigentlich für ihn die wichtigeren Dinge, die es zu erzählen gab.
Und nun bin ich hier im Beachside Motel in der nordöstlichsten Ecke von Florida, direkt am Meer in Fernandina Beach. Es ist warm aber windig. Im gegenüberliegenden Restaurant verzichtete ich dann aber an der Bar auf Politfragen, nachdem ich schon vorher bei belauschten Gesprächen eine deutlich Ablehnung von politics gehört habe. Und in den zahllosen Fernseher liefen zahllose Sportprogramme.
Manchmal scheint mir, dieser Wahlkampf ist ein rein medialer, und die Leute lesen dann erst am nächsten Tage in den Schlagzeilen, was sie zu denken haben. Wie diese Blitzumfragen bei wem eigentlich zustande kommen, ist mir schleierhaft. Ich glaube, das läuft nur in den größeren Städten. Aber die richtige Erfahrungs- und Datenbasis habe ich ja sicherlich noch nicht.
Neu für mich war ja diesmal, dass ich hier in den Staaten ankam, ohne direkt ein Ziel zu haben. Sonst bin ich erstmal zu Freunden gefahren ,in Kalifornien oder in New Mexico. War dann schon etwas komisch, so ganz allein einfach mal los. Hat aber auch was. So, nun muss ich mir mal Gedanken machen, wohin es denn morgen gehen wird. Irgendwo nach Georgia (always on my mind).